Westwärts
Wo findet sich in Deutschland noch ein urwüchsiger Wald, der sich im Gegenlicht derart geheimnisvoll und mystisch ausnimmt?
Eiszeitlich geprägt, ist der Darßwald ständigen Veränderungen unterzogen. Jedes Jahr bricht durch die Naturgewalten von Wind und Meer ein Stück vom Hochufer ab. Die Strömung trägt den Sand nach Norden hinter den Darßer Ort.
Die am Ufer stehenden halbhohen Buchen sind seit Jahrzehnten der Windschur ausgesetzt. Vor dem Wind geduckt, steigen ihre Wipfel von West nach Ost allmählich an und bilden ein schier undurchdringliches Dach.
Aus der verwunschenen Finsternis der Buchen tritt man an der Kante des Hochufers ins Licht. Die Bäume teilen sich. Das Meer schimmert hoffnungsvoll am Horizont. Der Geruch von Moder und Kien mischt sich mit dem des Salzes.
Das Schwarz-Weiss der Drucke widerspricht dem Urlaubsklischee. Hier gibt es keine Zivilisation, alles was der Tourist braucht, scheint Unendlichkeiten entfernt. Strandkorb, Kurkapelle und Animation sucht man vergeblich.
Die diffuse Darstellung der fünf Motive der Serie „Westwärts“, mit wenig Tiefenschärfe und unterbelichtet fotografiert, lässt die Szenerie unheimlich erscheinen. Der Genius loci ist treffend eingefangen, hier am Rande des Darßwaldes, diesem unwirklichen und zuweilen gespenstischen Ort. Es ist moosig, moorig, morbide – die Bäume sind knorrig. Es knarzt und knackt …
Abb. Westwärts 1, Pigmentdruck auf Baumwollpapier, i.O. 40 x 50 cm, 2014
Date:
4. Dezember 2020